Das ist der Schlüssel zur Persönlichkeit der Patienten

Was die Arbeit der Hauskrankenschwestern im Dominikus-Ringeisen-Werk so besonders macht

 

Datum: 30. Mai 2023, 9:59 Uhr
Das Team der Hauskrankenschwestern mit ihrem Chef Willi Lunzner (v. l. n. r.): Josefine Mögele, Monika Bachschmid, Petra Pfister und Nadine Linke. Ihre Kollegin Helga Frey fehlte leider beim Fototermin.

Ursberg/ Mai 2023 – Dienstag, 11 Uhr, Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) im Gebäude des Krankenhauses Sankt Camillus in Ursberg: Wie jede Woche um diese Zeit versammelt sich das Team der „Hauskrankenschwestern“ im Dominikus-Ringeisen-Werk. Hinter der Arbeitstheke stehen die großen roten Notfalltaschen schon bereit. Um einen ovalen Tisch sind die examinierten Gesundheits- und Krankenpflegerinnen Nadine Linke, Monika Bachschmid und Helga Frey bereits in ein lebhaftes Gespräch vertieft. Mit dabei ist Willi Lunzner, der Geschäftsführer des MVZ. Bevor sie an diesem Tag ihren Dienst fortsetzen, gibt es wichtige Infos – und Kaffee. Josefine Mögele, die Leiterin der Gruppe, beendet ein Telefongespräch und setzt sich dazu. Eine weitere Kollegin fehlt heute leider krankheitshalber. Ihren Dienst müssen die Kolleginnen miterledigen.

„Als ich selbst einmal nach einigen Krankheitstagen zu meinen Patienten zurückkehrte, kamen sie mir voller Freude über meine Genesung entgegen“, nimmt Nadine Linke dieses Thema auf. „Einer sagte sogar, er habe für mich gebetet, damit ich schnell wieder gesund werde.“ So viel Sorge und echte Anteilnahme ist natürlich eine schöne Bestätigung für das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Krankenschwester. Und dieses Vertrauensverhältnis ist entscheidend für eine gelingende medizinische Versorgung von Menschen mit vorwiegend geistiger Behinderung, die in den Wohneinrichtungen des Dominikus-Ringeisen-Werks (DRW) in Ursberg leben. „Eine meiner Patientinnen kommt nur zum Verbandswechsel, wenn ich Dienst habe“, unterstreicht Nadine Linke. „Sie möchte keine Versorgung an meinen freien Tagen.“

Eine lange Tradition

„Hauskrankenschwestern“ werden die Fachfrauen in den Ursberger Wohneinrichtungen genannt. Der antiquiert klingende Begriff hat allerdings eine lange Tradition im DRW. „Ganz früher haben ja noch die Schwestern der St. Josefskongregation die medizinische Versorgung der Bewohner geleistet“, erklärt Willi Lunzner. „Als die Ordensfrauen immer weniger wurden, stand man vor dem Problem, dass medizinisches Fachpersonal aus den umliegenden Krankenhäusern und Arztpraxen nicht immer ausreichend auf unsere Patienten eingestellt war. Das führte dazu, dass 2009 ein Medizinisches Versorgungszentrum gegründet wurde. Es sollte fast ausschließlich für die Bewohner des DRW da sein. Im Jahr 2010 haben wir dann unter Leitung von Nervenarzt Dr. Dr. Willy Schmidt, der damals schon Hausarzt des DRW war, unsere Arbeit aufgenommen.“ Damals gehörten mit Schwester Beatrix Rittler und Schwester Dominika Nuiding noch Ordensschwestern zum Pflegepersonal. Auch sie waren examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen. Doch die moderne Berufsbezeichnung „verantwortliche Pflegefachkraft“ konnte sich im Ursberger Alltag nicht durchsetzen. Die Hauskrankenschwestern dagegen genießen bis heute Respekt und Vertrauen ihrer Patienten. Jeder weiß, was und wer damit gemeint ist. 

Vermittler zwischen Arzt und Bewohner

„Unseren Patienten fehlt aufgrund ihrer verschiedenen Handicaps oft die Einsicht in medizinische Notwendigkeiten“, erklärt Josefine Mögele. „Viele haben infolge ihrer Krankengeschichte bereits eine Vielzahl an medizinischen Untersuchungen und Eingriffen hinter sich und verbinden unangenehme Erinnerungen damit. Da hilft es ungemein, wenn sie einer Behandlung allein aus Sympathie und Vertrauen zustimmen.“ Vertrauen, das auch aus der Besonderheit entsteht, dass die Krankenschwestern des Ursberger MVZ tatsächlich fast ausschließlich für die Bewohner des DRW zuständig sind. Das sind in Ursberg und Umgebung immerhin um die 900 Patienten. Josefine Mögele: „Wir als Mitarbeiterinnen des MVZ verstehen uns als Vermittlerinnen zwischen den Ärzten und den Bewohnern beziehungsweise den Mitarbeitern der Wohngruppen. Das Personal im Gruppendienst ist dabei von unschätzbarem Wert für uns. Sie kennen ihre Bewohner genau, wissen über Krankengeschichte, Empfindlichkeiten und Besonderheiten der Persönlichkeit genau Bescheid. Sie verstehen häufig auch ihre nonverbalen Äußerungen aufgrund ihrer jahrelangen Verbundenheit mit ihnen.“

Vertrauen ist der Schlüssel

Anpassungsfähigkeit, da sind sich alle am Tisch einig, ist Voraussetzung für ein gelingendes Miteinander zwischen Hauskrankenschwester und Patient. „Kein Tag ist wie der andere und Flexibilität im Umgang mit den Patienten wird bei uns groß geschrieben“, sagt Helga Frey. „Wenn ein Bewohner einmal gar nicht in Stimmung für eine medizinische Maßnahme ist, geh ich eben noch eine Stunde ins Büro und versuche es später nochmal. Meistens klappt es dann.“ Bei neuen Bewohnern dauert es manchmal noch länger, bis Angst und Misstrauen vor der fremden Umgebung, den unbekannten Menschen und ungewohnten Tagesabläufen überwunden sind, weiß Josefine Mögele. Manchmal brauche es ein ganzes Jahr, bis Impfungen nachgeholt und therapeutische Anwendungen angesetzt werden könnten. „Dann kann es aber plötzlich geschehen, dass ein ehemals so verschlossener Patient angesichts einer Spritze ganz entspannt zu mir sagt: ‚Du darfst doch alles bei mir machen`.“ Das ist ein Vertrauen, das mühsam erworben und darum umso kostbarer ist.

Ein Platz am Tisch ist noch frei

Allmählich kommt auch dieses Meeting ans Ende. Letzte Informationen werden ausgetauscht, der letzte Schluck Kaffee ausgetrunken und die Arbeitstaschen auf Vollständigkeit überprüft. Eine kurze Besprechung noch, wer die Patienten der erkrankten Kollegin übernimmt. Dann machen sich Josefine Mögele, Nadine Linke, Monika Bachschmid und Helga Frey auf den Weg. Einen Wunsch hat das gesamte Team noch auf dem Herzen: „Eine weitere Kollegin oder auch ein Kollege wäre uns sehr willkommen. Die Arbeit wäre entspannter. Und einen zusätzlichen Platz an unserem Tisch haben wir auch noch frei.“ Wenn aber wirklich einmal ein Mann ins Team käme, müsste man vielleicht trotzdem über seine Berufsbezeichnung nachdenken. Auf einen Versuch käme es den Ursberger Hauskrankenschwestern dabei gerne an.

Das Dominikus-Ringeisen-Werk

In den bayerischen Regierungsbezirken Schwaben, Unterfranken und Oberbayern an über 30 Standorten begleitet das Dominikus-Ringeisen-Werk zurzeit ca. 5.000 Menschen mit einer geistigen Behinderung, mit Lernbehinderung, mit mehrfacher Behinderung, mit Sinnesbehinderung, Autismus, erworbener Hirnschädigung, psychischer Erkrankung und Menschen im Alter. Am Standort Ursberg, dem Stammsitz der kirchlichen Stiftung, leben ca. 900 Menschen mit Behinderung. Über 4.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für das Dominikus-Ringeisen-Werk tätig

Zum Bereich "Gesundheit und Medizin" im DRW

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